Leipziger Tierärztekongress 2026: Wie verändert Künstliche Intelligenz die Tiermedizin?
Lahmheitsanalyse und Augendiagnostik beim Pferd per Smartphone-App, datenbasiertes Gesundheitsmanagement bei Nutztieren: Was Künstliche Intelligenz (KI) in der Veterinärmedizin heute und in Zukunft leisten kann, beleuchtet der 13. Leipziger Tierärztekongress (15. bis 17. Januar 2026). Dabei spielt der Einsatz von KI-Systemen bei der Überwachung von Tiergesundheit und Tierwohl in der Pferdemedizin sowie bei Wiederkäuern und Schweinen ebenso eine Rolle wie in der Lebensmittelsicherheit. Zudem stellt die neue European Conference on Veterinary and Medical Education im Rahmen des Kongresses die Potenziale von KI-Technologien im Lehr- und Lernprozess auf den Prüfstand.
„Die KI erobert die Veterinärmedizin schneller, als öffentlich wahrgenommen wird. Zahlreiche Tierärzte haben zum Beispiel bereits eine App auf dem Smartphone, die mithilfe von KI eine Gangbildanalyse zur Lahmheitsuntersuchung bei Pferden nur auf Basis von Handyvideos ermöglicht“, sagt Prof. Dr. Kerstin Gerlach, Fachtierärztin für Radiologie und für Chirurgie im Bereich Bildgebende Diagnostik der Klinik für Pferde der Veterinärmedizinischen Fakultät, Universität Leipzig. Prof. Gerlach ist Associate Member of the European College of Veterinary Diagnostic Imaging (ECVDI) und gehört zu den Verantwortlichen der Session „Künstliche Intelligenz – Zukunft der Veterinärmedizin?“ am 15. Januar 2026. „Wir informieren die praktischen Tierärzte über die Funktionsweise von KI und den Stand der Dinge, blicken dabei auch über den Tellerrand. Neben unserem Schwerpunkt Pferd werden Entwicklungen in der Humanmedizin – speziell der gynäkologischen Bildgebung – thematisiert und es wird ein Bogen zur Diagnostik struktureller Gehirnerkrankungen beim Hund geschlagen.“
KI-basierte Apps erleichtern Diagnose
Der Weg von der digitalisierten Lahmheitsuntersuchung zur KI-gestützten Bewegungsanalyse werde beispielsweise von Dr. Vasiliki Katrinaki von der Klinik für Pferde der Veterinärmedizinischen Fakultät der Universität Leipzig beschrieben, so Prof. Gerlach. „Die Lahmheitsuntersuchung beim Pferd ist ein sehr komplexer Vorgang. Die KI kann die Diagnose durch das Erkennen von Bewegungsmustern bei Hüftabsenkung oder Kopfbewegung und die Bewertung von Asymmetrien inzwischen sehr gut unterstützen. Man lässt das Pferd vortraben, filmt seinen Gang, der Film wird von der KI-basierten App verarbeitet und innerhalb von Minuten kommt die Auswertung. Für die Lahmheitserkennung braucht man deshalb oft keine aufwändigen Sensorsysteme mehr. Heute genügt ein Handy“, beschreibt die Professorin.
Zudem werde Dr. med. vet. Stephan Gesell-May von der Münchner Tierarztpraxis für Pferdeaugenheilkunde über KI in der Pferde-Ophthalmologie sprechen, kündigt Prof. Gerlach an. „Er arbeitet an einem KI-gestützten Programm zur Diagnostik von Erkrankungen des Pferdeauges. Eine App, die auf Grundlage von Fotos zuverlässig Befunde erstellt, wäre ein großer Fortschritt. Denn Augenuntersuchungen beim Pferd sind ebenfalls nicht einfach durchzuführen.“ Wesentlich sei, genug medizinische Daten zu sammeln, auf die der Algorithmus zugreifen könne. Hier setze der Vortrag von Prof. Dr. med. vet. Anna May von der Klinik für Pferde der Tierärztlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München an. Die Fachtierärztin für Innere Medizin des Pferdes werde sich der KI beim Pferd, der Sammlung und Anwendung von Daten widmen, erklärt Prof. Gerlach.
Datenschätze heben
Dem Einsatz von KI bei der Auswertung von Szintigrammen von Pferden widmet sich der Beitrag von Sigita Krüger von der Leipziger Klinik für Pferde. Die Szintigrafie ist ein bildgebendes nuklearmedizinisches Untersuchungsverfahren, das Vorgänge und Strukturen im Körper sichtbar macht. „Die Doktorandin füttert ein KI-Programm mit Bildern von gesunden und kranken Pferden. Ziel ist, künftig mittels KI zu entscheiden, ob eine Veränderung im Anreicherungsmuster vorliegt. Das könnte zum Beispiel bei Arthrose der Fall sein. Bisher liegt dafür noch kein genügend großer, qualifizierter Datenstamm vor. Deshalb liefert ein Verbund von drei Pferdekliniken große Mengen Bilder und Daten für dieses Projekt“, berichtet Prof. Gerlach. Auf dem Leipziger Tierärztekongress werden erste Ergebnisse vorgestellt.
„Die KI kann den Veterinärmedizinern helfen, Befundung und Diagnosen deutlich zu beschleunigen und so Erkrankungen zeitiger zu erkennen. Das senkt die Risiken von ernsten Folgeschäden für die Tiere – und das spart wiederum den Besitzern Kosten“, so Prof. Gerlach. „Mit unserer Session auf dem Leipziger Tierärztekongress möchten wir die spannende Debatte um KI in der veterinärmedizinischen Praxis bereichern und neue Ideen einbringen. Vielleicht entstehen neue Kooperationen und Konzepte daraus.“
KI im Programm
Weitere Inspirationen zum Thema KI bieten die Sessions „Tierwohl und KI in der Schweinebestandsbetreuung“ (16. Januar 2026; Schwerpunkt Schwein) sowie „Datenbasiertes Herden- und Tiergesundheitsmanagement – Sensoren, Point of care Diagnostik und Entscheidungsalgorithmen“ (17. Januar; Schwerpunkt Wiederkäuer). Auf dem Gebiet Veterinary Public Health – Lebensmittelsicherheit geht es in der Session „Lebensmittelsicherheit“ (15. Januar) unter anderem um KI am Schlachthof. Im Bereich Berufsperspektiven wiederum befasst sich die Session „Tiermedizin 2045 – Von der Analyse zur Vision“ (17. Januar) unter anderem mit der KI-Revolution in der Tiermedizin.
Neu im Programm des Leipziger Tierärztekongresses ist die European Conference on Veterinary and Medical Education (16./17. Januar), bei der zum Beispiel die Session „Didactic Tools in Veterinary Education II“ (17. Januar) die Möglichkeiten von KI im Lehr- und Lernprozess in den Fokus rückt.
Weiterführende Links für Journalisten
Über den Leipziger Tierärztekongress und die vetexpo europe