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Extrazelluläre Vesikel als Perspektive in der Behandlung muskuloskelettaler Erkrankungen beim Hund
Die Behandlung mithilfe von Stammzellen galt lange Zeit als zukunftsweisend, insbesondere für chronisch-degenerative Erkrankungen von Muskulatur oder Skelettsystem, etwa der Osteoarthrose. Mit den extrazellulären Vesikeln (EVs) ist nun ein neuer Aspekt stammzellbasierter Behandlungsmöglichkeiten für solche pathologischen Veränderungen ins Zentrum des Interesses gerückt.
Mesenchymale Stammzellen (MSCs) werden seit vielen Jahren zur Therapie muskuloskelettaler Erkrankungen eingesetzt. Ein möglicher neuer Aspekt bei der Behandlung mit diesen Zellen sind die extrazellulären Vesikel. Ihnen widmet Dr. Michelle Klymiuk vom veterinäranatomischen Institut der Universität Gießen seinen Vortrag „Aus Stammzellen werden EV’s – Perspektiven der Therapie mit extrazellulären Vesikeln beim Hund“ . Dieser findet am 20. Januar auf dem Leipziger Tierärztekongress 2024 statt.
Gewinnung mesenchymaler Stammzellen mit überschaubarem Aufwand
Mesenchymale Stammzellen stammen aus dem Bindegewebe und lassen sich im Gegensatz zu embryonalen Stammzellen auch bei ausgewachsenen Tieren gewinnen. Meist werden sie im Rahmen ohnehin erforderlicher Operationen aus dem abdominalen Fettgewebe entnommen, seltener gezielt aus dem Knochenmark von Humerus, Femur oder Becken. Danach müssen die Zellen aufgereinigt und auf ihre Stammzelleigenschaften überprüft werden, also darauf, ob sie sich in die drei mesenchymalen Gewebe Fett, Knochen und Knorpel differenzieren können. Dafür werden verschiedene Oberflächenmarker untersucht.
Von der mesenchymalen Stammzelle zu medizinalen Signalisierungszellen
Die Vorstellung liegt nahe, dass Stammzellen, die in ein geschädigtes Gewebe wie etwa ein osteoarthrotisch verändertes Gelenk gebracht werden, sich dort zu den benötigten Zellen differenzieren und vor allem dadurch zur Regeneration beitragen. Neben dieser Fähigkeit können MSCs aber noch sehr viel mehr: „Es hat sich herausgestellt, dass die Stammzellen eine Vielzahl unterschiedlicher Signalstoffe und Faktoren abgeben, die die interzelluläre Kommunikation beeinflussen und bei der Regeneration betroffener Gewebe helfen können“, so Dr. Klymiuk.
Zu den von den MSCs abgegebenen Faktoren gehören unter anderem die extrazellulären Vesikel. Bei diesen handelt es sich um kleine Partikel, die von einer Doppellipidmembran umgeben sind und – neben Peptiden, Lipiden und Ribonukleinsäuren auch mit Mikro-RNA (miRNA) bestückt sind. Diese ist laut Dr. Klymiuk „von besonderem Interesse, weil sie die Translation von Genen in den betroffenen Gebieten beeinflussen kann“. Durch diese Besonderheiten ersetzt der Begriff der „medizinalen Signalisierungszellen“ zunehmend den der „mesenchymalen Stammzelle“.
Extrazelluläre Vesikel – besser als die Stammzelle?
EVs haben gegenüber den MSCs bestimmte Vorteile. Da es sich nicht um lebende Zellen handelt, kommt es anders als beim Einsatz von MSCs bei EVs nicht zu unerwünschten Nebenwirkungen wie Abstoßungsreaktionen. Auch ein unkontrolliertes Wachstum ist nicht zu erwarten, weil keine lebensfähigen Zellen eingesetzt werden. Zusätzlich lässt sich der Inhalt der EVs über die MSCs beeinflussen. Dadurch könnten beispielsweise wirksame Substanzen in den Vesikeln angereichert werden. Dies könnte eine gezieltere und vereinheitlichte Therapie ermöglichen, so der Forscher.
Überblick über Methodik und aktuelle Forschung
Um extrazelluläre Vesikel therapeutisch einsetzen zu können, war zunächst wichtige Grundlagenforschung notwendig. Dadurch wurde es möglich, EVs zu gewinnen und mithilfe von Oberflächenproteinen zu charakterisieren. Nano-Tracking-Analysen dienen anschließend dazu, Größe und Anzahl der Vesikel nachzuweisen. Sie werden dann durch Ultrazentrifugation und Ultrafiltration konzentriert, um besser mit ihnen arbeiten zu können. „Diese Verfahren scheinen die Beschaffenheit der EVs auch am besten zu erhalten, was den Schluss nahelegt, dass die Funktionalität durch sie am wenigsten beeinträchtigt wird“, so Dr. Klymiuk. In den nächsten Schritten der Forschung soll nun der Inhalt der Vesikel näher bestimmt werden. Vor allem von der miRNA der Vesikel erhoffen sich die Forschenden neue Möglichkeiten für eine stammzellbasierte, aber zellfreie Therapie von degenerativen Erkrankungen wie der Osteoarthrose.
„Anatomie, verlass mich nie“ auf dem Leipziger Tierärztekongress
Klinisch bedeutsamen Gegebenheiten der Anatomie widmet der Leipziger Tierärztekongress 2024 den Themenkomplex „Anatomie, verlass mich nie: Praktischen Herausforderungen interdisziplinär begegnen“. Neben den extrazellulären Vesikeln gibt es dort Vorträge zu myofaszialen Expansionen, der Biomechanik des Sakroiliakalgelenks, der Anatomie der Perinealregion und ein chirurgisches Fallbeispiel eines persistierenden rechten Aortenbogens (PRAA) des Hundes. Das Pferd betreffende Beiträge beschäftigen sich mit unterschiedlichen klinisch relevanten Aspekten der Halswirbelsäule, Rückenschmerzen sowie der apikalen Zementhypoplasie. In einem weiteren Vortrag werden klinisch relevante anatomische Besonderheiten des Alpakas vorgestellt. Die Präsentationen des Themenkomplexes finden am 20. Januar 2024 von 09:00 bis 13:15 Uhr in Raum 11 des CCL der Leipziger Messe statt.