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Hormonbehandlungen in der Rinderzucht: Wie, warum und warum nicht?
Der Einsatz von Hormonen zur Leistungssteigerung in der modernen Rinderhaltung ist umstritten. Auf dem Leipziger Tierärztekongress 2024 beleuchten Prof. Dr. Holm Zerbe von der Ludwig-Maximilians-Universität München und Dr. Robert Hertzsch von der Tierarzt Plus GmbH die Verwendung von Hormonen in der Rindermedizin, ihre Anwendungsgebiete, regulatorischen Aspekte und die Kontroversen.
Hormonbehandlungen in der Rindermedizin lassen sich in zwei Hauptbereiche einteilen: Fruchtbarkeitsmanagement und Geburtssteuerung. Beispiele für verwendete Wirkstoffe im Fertilitätsmanagement sind Progesteron, GnRH, LH, FSH, PMSG/eCG (Pregnant Mare Serum Gonadotropin/Equines Choriongonadotropin) und hCG. Im Gegensatz dazu werden Oxytocin, Carbetocin, Dexamethason und Clenbuterol überwiegend geburtshilflich eingesetzt. Besonders umstritten ist die Anwendung zur Steigerung der Fruchtbarkeit.
Einsatz in der Praxis
Der genaue Umfang des Hormoneinsatzes in der Rinderreproduktion in Deutschland ist unbekannt. In den Niederlanden war laut einer Studie zwischen 2017 bis 2019 Prostaglandin das am häufigsten verwendete Reproduktionshormon. Nur 5,8 Prozent der Milchviehbetriebe verwendeten keine Reproduktionshormone. Betriebe mit Herdenmanagementprogrammen nutzten mehr Hormone als Betriebe ohne solche Programme. Auch in Betrieben mit automatischen Melksystemen war der Einsatz höher, während ökologisch wirtschaftende Betriebe weniger Reproduktionshormone verwendeten.
Rückstände und Herstellungsprozesse in der Kritik
In der Öffentlichkeit wird der Einsatz von Hormonen bei Lebensmittel liefernden Tieren meist mit Hormonrückständen in Lebensmitteln verbunden. Aus pharmakologischer Sicht ist dies bei Einhaltung der Wartezeiten jedoch nicht zu befürchten. Für Peptidhormone (hCG, LH, FSH, GnRH, PMSG) und Progesteron gelten Wartezeiten von Null Tagen. Dexamethason und Clenbuterol sind hingegen Wirkstoffe, die länger im Körper verbleiben. Für sie gelten daher Wartezeiten von mehreren Wochen. Ihr Auftreten in Lebensmitteln wird regelmäßig kontrolliert.
Auch der Herstellungsprozess bestimmter Wirkstoffe steht in der Kritik. Das betrifft insbesondere die Gewinnung von PMSG und hCG. PMSG/eCG wird bis heute aus dem Blut trächtiger Stuten gewonnen, was in einigen Ländern den grundlegenden Anforderungen an den Tierschutz widerspricht. In Deutschland findet die PMSG-Produktion an mindestens einem Standort statt. Der Einsatz in der Rindermedizin ist jedoch dem Einsatz in der Schweinemedizin deutlich untergeordnet.
Rechtliche Aspekte und tierärztliche Verantwortung
Die Abgabe von Arzneimitteln im Voraus ist rechtlich schwierig und erfordert eine tierärztliche Diagnose, Erfahrungswerte, wissenschaftliche Erkenntnisse und die Einhaltung der 31-Tage-Frist für verschreibungspflichtige Medikamente. Bei Fruchtbarkeitsmanagementprogrammen ist es in der Regel nur im Rahmen einer tierärztlichen Bestandsbetreuung möglich, diese Voraussetzungen zu erfüllen.
Verboten ist die Abgabe von Wirkstoffen, die nur von Tierärzten angewendet werden dürfen. Dazu gehören bei den für Rinder zugelassenen Hormonpräparaten Clenbuterol und Progesteron. Ebenfalls klar verboten ist eine Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel über den 31-Tage-Zeitraum hinaus sowie eine Abgabe ohne Erfüllung der Bedingungen einer ordnungsgemäßen Behandlung.
In der Produktion sicherer Fleisch- und Milchprodukte tragen auch Tierärztinnen und Tierärzte Verantwortung. Ein sorgfältiger Einsatz von Hormonen in der Milchviehzucht ist wichtig, um die Verbraucherskepsis zu minimieren. Dafür ist es unerlässlich, die Regeln für die Abgabe von Arzneimitteln im Voraus einzuhalten. Die Verbesserung von Tiergesundheit und Fruchtbarkeit sollte in der Zusammenarbeit mit Landwirten an der obersten Stelle stehen, um den übermäßigen Einsatz von Hormonen zu reduzieren und das Tierwohl zu fördern.
Der gemeinsame Vortrag Hormonbehandlungen in der Gynäkologie des Rindes - Wie, warum und warum nicht? von Prof. Dr. Holm Zerbe von der Klinik für Wiederkäuer mit Ambulanz und Bestandsbetreuung an der Ludwig-Maximilians-Universität München und Dr. Robert Hertzsch von der Tierarzt Plus GmbH findet am 18. Januar um 12:20 Uhr auf dem Leipziger Tierärztekongress 2024 statt.
Das gesamte Kongress- und Rahmenprogramm im Überblick
Zur individuellen Planung der Kongresstage bietet das Onlineprogramm die Möglichkeit nach Veranstaltungsart und Thema zu filtern. Eine Programmübersicht steht zudem als PDF zum Download bereit.