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Reptilien- und Amphibiensterben: Veterinärmedizin zwischen Aufklärung und Verantwortung
Der Bedrohung der Artenvielfalt widmet sich der Vortrag „Zwischen Klimawandel und Globalisierung – das stille (Aus)sterben unserer einheimischen Amphibien und Reptilien“ auf dem 12. Leipziger Tierärztekongress. Auch die Verantwortung der Veterinärmedizin bei der Ursachenforschung und Aufklärung wird beleuchtet.
„Seit Jahren belegen Studien den Rückgang der Populationszahlen bei Reptilien und Amphibien“, konstatiert Dr. Johannes Hetterich von der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover, Klinik für Heimtiere, Reptilien und Vögel. Dass Klimawandel und Globalisierung die einheimischen Reptilien und Amphibien bedrohen, sei in diesem Zusammenhang keine neue Erkenntnis, so Dr. Hetterich. Ebenfalls bekannt sei, dass die Einfuhr und das Aussetzen einzelner Arten wie etwa der Agakröte nach Australien schon vor Jahrzehnten teils für große Probleme in den entsprechenden Ländern gesorgt habe. Letztlich seien alle heimischen Reptilien- und Amphibienarten von der negativen Entwicklung betroffen, selbst landläufig noch als häufig geltende Arten wie Blindschleiche oder Erdkröte.
Lebensraumzerstörung, Hitzestress und Infektionen als weitere Ursachen
Ebenso gehöre die Lebensraumzerstörung zu den fundamentalen Einflussfaktoren des Reptilien- und Amphibiensterbens, betont Dr. Hetterich: „Sowohl Reptilien als auch Amphibien sind in den allermeisten Fällen hochspezialisiert und an enge ökologische Lebensräume adaptiert. Eine rasche Anpassung an neue Bedingungen wie bei zahlreichen ‚Kulturfolgern’ aus der Säugetier- und Vogelfauna gibt es so nicht. Zudem schreitet der Rückgang genau jener Lebensräume besonders schnell voran, die für diese Spezies von entscheidender Bedeutung sind. Für Reptilien sind das Brachland, naturbelassene Steinbrüche sowie Mosaiklandschaften, für Amphibien wiederum Feuchtgebiete und Moore.“ Wesentlichen Einfluss hätten die fortschreitende Versiegelung von Naturraum sowie „die Aufgeräumtheit und Größe“ vieler Agrar- und Nutzflächen, erklärt der Tierarzt.
Außerdem konnten laut Dr. Hetterich in Bezug auf den Klimawandel bereits zahlreiche Studien belegen, dass der Hitzestress einen negativen Einfluss auf das Immunsystem vieler Amphibien habe. „Gleichzeitig schafft er veränderte, teils verbesserte Bedingungen für Infektionserreger. So spielt die weltweite Ausbreitung spezieller Chytridpilze in den vergangenen 20 Jahren eine wesentliche Rolle für ein inzwischen weltweit beschriebenes Amphibiensterben – amphibian decline“, berichtet er.
Verantwortung aus veterinärmedizinischer Sicht
Besonders die forschende Veterinärmedizin sei gefordert, um weiteren Ursachen des Reptiliensterbens auf den Grund zu gehen: „Dabei geht es hinsichtlich der Populationsgesundheit und -dynamik nicht um die Gesundheit und Rettung einzelner Individuen. Die Veterinärmedizin sollte vielmehr interdisziplinär die Zusammenhänge zwischen Infektionserkrankungen, Klima- und Biotopveränderungen sowie Populationsgesundheit usw. ergründen und beschreiben“, sagt Dr. Hetterich. Die Ansatzpunkte seien vielgestaltig: „Das Thema Aufklärung über die oben beschriebenen Veränderungen sollte jedoch nicht allein in der Hand der Veterinäre liegen. Wir können an der Erforschung dieser Zusammenhänge teilhaben, die Entwicklungen begleiten und ansprechen. Die Öffentlichkeitsarbeit dafür muss zwingend durch weitere Stellen und viele andere Berufe ergänzt werden.“ Das müsse in der Schule beginnen sowie von Biologen, Lehrern und vielen weiteren Personengruppen kommuniziert werden: „Nur so können wir breitere Bevölkerungsschichten erreichen.“
Schwerwiegender Verlust
Sein Vortrag solle vermitteln, worin die Kernprobleme der heimischen Arten liegen, wie Dr. Hetterich darlegt: „Es geht nicht nur um veterinärmedizinische Probleme für diese Tiere, sondern vor allem um scheinbar triviale Maßnahmen wie den Erhalt des nahegelegenen Feuchtbiotops“, sagt er und ergänzt: „Mit dem Verschwinden der heimischen Reptilien und Amphibienfauna geht Artenvielfalt verloren. Und unserer Gesellschaft ist kaum bewusst, wie schwer ein solcher fortschreitender Verlust von Artenvielfalt für unser Leben wiegt. Denn in unseren Ökosystemen hängt alles mit allem zusammen. Das müssen wir endlich verstehen.“
Der Vortrag „Zwischen Klimawandel und Globalisierung – das stille (Aus)sterben unserer einheimischen Amphibien und Reptilien“ aus dem Themenbereich Reptilien findet am 20. Januar, 15:15 Uhr, auf dem Leipziger Tierärztekongress statt.