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17.05.2022 Leipziger Tierärztekongress

Sensortechnik in Milchviehbetrieben – grenzenlose Möglichkeiten?

In den immer größer werdenden Milchviehbetrieben spielen Zeit und ein gutes Management eine wichtige Rolle. Der Einsatz von Sensortechnik soll Herdenmanager und Tierärzte beispielsweise bei der Brunsterkennung oder bei der Abkalbeprognose unterstützen. Doch jedes Messprinzip hat Messfehler. Wo liegen die Möglichkeiten und Grenzen der Technik?

Die zunehmende Menge von Daten zu Milchleistung, Tiergesundheit, Fruchtbarkeit und Verhalten lässt sich mit elektronischen Messsystemen sensorbasiert und individuell erfassen. Die gewonnenen Tierparameter helfen, eine Herde gut und sicher zu überwachen. „Vor allem für Betriebe mit begrenzten Arbeitskräften oder für Nebenerwerbsbetriebe ist die Sensortechnik eine gute Unterstützung zur visuellen Tierbeobachtung“, weiß Prof. Dr. Steffen Hoy. Der Professor für Tierhaltung und Haltungsbiologie am Institut für Tierzucht und Haustiergenetik der Justus-Liebig-Universität Gießen zeigt auf dem Leipziger Tierärztekongress die Möglichkeiten und Grenzen der Sensortechnik im Herden- und Tiergesundheitsmanagement auf.

Brunsterkennung und Prognose des Kalbebeginns

Die größte Bedeutung des sensorbasierten Herdenmanagements liegt in der Erkennung brünstiger Tiere. Die Messgeräte zur Erfassung der Bewegungsaktivität werden systemabhängig entweder am Fuß (Pedometer) oder am Hals (Respaktor) befestigt. Validierte Systeme ermöglichen Brunsterkennungsraten von 93 bis 97 Prozent. Jedoch sei eine Vernetzung der Sensoren mit einem Herdenmanagementprogramm essentiell, um Doppeleingaben zu vermeiden, erklärt Prof. Hoy.

Neben der Brunsterkennung ist die Wiederkaudauer zur Prognose des Abkalbebeginns und zur Überwachung des Puerperiums geeignet. Da die Futteraufnahme unmittelbar vor der Geburt eines Kalbes stark zurückgeht oder sogar eingestellt wird, sinkt auch die Rumination deutlich ab. Mithilfe der automatisch gemessenen Wiederkaudauer kann kontinuierlich der Zeitraum vor der Kalbung überwacht und eine Prognose zum Beginn der Abkalbung gegeben werden. Die Treffsicherheit beträgt im Durchschnitt mindestens 80 %. Auf eine ergänzende visuelle Kontrolle der hochtragenden Kühe sollte dennoch nicht verzichtet werden.

Möglichkeiten des Gesundheitsmonitorigs

Weniger stark verbreitet ist dagegen die elektronische Gesundheitsüberwachung. Diese könne nämlich nur dann funktionieren, wenn das Allgemeinbefinden der betreffenden Kühe so beeinträchtigt sei, dass es Auswirkungen auf die Futteraufnahme habe, so Prof. Hoy. „Das betrifft beispielsweise Stoffwechselstörungen, Puerperalstörungen und teilweise auch die (Coli )Mastitis, nicht aber Klauenerkrankungen.“ Durch die täglich oder zweistündlich gemessene Rumination können Informationen zeitnah bereitgestellt werden, die eine schnelle Reaktion ermöglichen.

Auch Beeinträchtigungen der Futterqualität (zum Beispiel Geruchs- und Geschmacksabweichungen) und Störungen der Futter- und Wasserversorgung sind durch Sensoren festzustellen. Eine drastische Herabsetzung der Futteraufnahme führt zur Absenkung der Wiederkaudauer und zu einer verminderten Milchleistung.

Die Grenzen der Technik

Während die Messungen von Wiederkaudauer und Aktivität bereits verlässliche Ergebnisse erzielen, treten Ungenauigkeiten insbesondere noch bei neuen Parametern wie etwa bei der Positionsbestimmung behandlungswürdiger Tiere im Stall oder der Erfassung der Futteraufnahmedauer auf. Für Letztere wird mittels Halsbandsensoren (Lagesensoren) die für das Fressen typische Kopfhaltung registriert. „Da die Sensoren aber das Stehen am Futtertisch ohne Fressen auch als Futteraufnahme werten, verfälschen sich die Werte“, kritisiert Dr. Hoy.

Entwicklungspotential besteht auch bei der automatischen Erfassung der Liegedauer als Tierwohlindikator. „Erste Ergebnisse weisen Unterschiede in der täglichen Liegedauer zwischen laktierenden und trockenstehenden Kühen, zum Teil zwischen den Wochentagen und in jedem Fall zwischen den Betrieben nach“, betont Dr. Hoy. Die Resultate deuten auf einen Zusammenhang zwischen der Liegedauer pro Tag und der Qualität des Liegebereiches (Kuhkomfort) hin. Allerdings sei die Beziehung zwischen Liegedauer und Tierwohl nicht trivial. Melktechnik und auch Melkfrequenz seien zu berücksichtigen, erklärt der Experte. Ebenso müssen Erkrankungen beachtet werden, gegebenenfalls auch der mittlere Laktationstag, da mit zunehmender Laktations- bzw. Trächtigkeitsdauer die Kühe täglich länger liegen. Damit sind betriebsübergreifende Vergleiche der Liegedauer schwierig.

Die Vortragsveranstaltung „ Sensortechnik “ findet am 7. Juli 2022 von 9.45 bis 10.40 Uhr auf dem Leipziger Tierärztekongress statt.

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